09.08.2008
TDK-Review:
Unsere zweite Review zu 'The Dark Knight'
René Siepmann konnte beim Bat-Event den Film sehen und gibt uns eine umfassende Review zu 'The Dark Knight'.
Nachdem ich 'The Dark Knight' nun einmal in der Originalversion in Amsterdam und in der deutschen Synchronisation während der Presse-Vorführung bzw. des Bat-Events in Düsseldorf gesehen habe, möchte ich versuchen meine Gedanken zum Film zu ordnen und Dinge zu werten... Um dabei auf Details eingehen zu können werden meine Eindrücke einige kleine bis große Spoiler enthalten... (Die letzten beiden Abschnitte, sowie die Teile zu Soundtrack & Synchronisation sind Spoiler-frei!)
Als Batman-Fan bezeichne ich mich nicht nur seit Kindertagen (60er-Jahre Serie und Burtons Version) sondern ganz besonders seit Neustart der Film-Interpretationen unter der Regie von Christopher Nolan, und seiner bis dahin authentischten, glaubwürdigsten und stärksten Verfilmung eines Stoffes auf der Grundlage eines Comic-Superhelden: 'Batman Begins'.
"BB"befasste sich mit der Figur des Bruce Wayne und der Erschaffung seiner Identität als Batman durch die Verarbeitung seiner Angst und durch die Verbreitung selbiger Furcht durch Batman. "TDK" geht den nächsten Schritt und beschreibt die Eskalation einer Stadt, da die kriminelle Unterwelt mit weiterführenden Mitteln auf das Auftauchen des Maskierten reagiert. Ist Batman der "Held" den Gotham City braucht?
Und ist TDK tatsächlich das Meisterwerk wie beispiellose Besucherzahlen, Rezensionen, InternetMovieDatabase-Listen und Hype behaupten?
TDK ist groß, schnell und episch... Und für einen neuzeitlichen Blockbuster überraschend intelligent und radikal mit interessanten elementaren Ansätzen.
Die Schauspieler sind nicht nur charismatisch ausgewählt sondern sie sind mit Bale, Caine, Oldman und Freeman mit großen Namen vertreten... Die Stammbesetzung aus BB ist also wieder vereint mit den Neuzugängen von Heath Ledger als Joker, Aaron Eckhart als Staatsanwalt Harvey Dent und der Neubesetzung von Rachel Dawes durch Maggie Gyllenhaal. Schade ist es um diese Neubesetzung der weiblichen Hauptfigur nicht: Wo Katie Holmes in BB durch mittelmäßiges Schauspiel und fragwürdigem Image wie ein Fremdkörper in einem ansonsten runden Film wirkte, transportiert Gyllenhaal erstmalig Klasse und Charakter in die Figur der Staatsanwältin. Aaron Eckhart ist schauspielerisch hervorragend und absolut bereichernd für den Film und auch die Nebenrollen wie Mafiaboss Maroni sind perfekt gecastet und überzeugen in ihrer Darstellung.
Und dann ist da der Joker! Die identitätslose Anarchie... Die clowneske Übermacht ohne bekannte Vergangenheit oder Begründung für sein Handeln... Er bestimmt den Takt schon ab der ersten Szene in der er über den Film hineinbricht. Unberechenbar und nur angekündigt durch das bedrohliche Auftakten der Filmmusik, kann der scheinbar Wahnsinnige jederzeit wieder aus dem Nichts auftauchen um Tod, Chaos und Zerstörung zu entfachen. Dabei bricht er die Regeln, windet sich aus jeder Falle, hat am Ende einen "Joker" parat, entkommt und ist so schnell verschwunden wie er auftauchte. Schon die erste Szene des Films, Jokers perfekt inszenierter und brutaler Bankraub, bringt die Figur so auf den Punkt.
Neben dieser effektiven Brachialität, ist der Joker aber vor allen Dingen ein intelligenter und überlegter Fädenzieher, dessen brilliante Pläne perfekt auskoreografiert sind und der in der Lage ist sekundenschnell zum Kern seines Gegenübers einzudringen um entweder seine erweiterte Sichtweise der Dinge anzumerken oder um den Anderen punktgenau zu brechen. Und dabei ist er sogar charmant! Und haben wir uns etwa dabei ertappt wie wir kurzzeitig über seine perfiden Witze gelacht haben?
Der Joker funktioniert dabei vor allem als Gegensatz zu Batman – wobei die Frage offen bleibt ob die beiden Figuren am Ende sogar mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze haben. Kann der eine überhaupt ohne den anderen existieren? Auch der Joker trägt am Anfang eine (Zirkus-)Maske... Unter ihr verbirgt er allerdings ein weiteres Clowns-Gesicht... Den Mann hinter dem Make-Up lernt man nicht kennen - nur die identitätslose perfekte Chaos-Maschine, abseits von Werten des dinglichen Besitzes, und mit einzigem Interesse an der blanken Anarchie.
Dabei gibt der Joker sogar zwei Geschichten aus seiner Vergangenheit preis, die ihn scheinbar zu dem machten das er ist... Zwei Geschichten die ihn als das Opfer darstellen. Da sich die beiden Geschichten aber von einander unterscheiden ist anzunehmen, dass beide seinem geschliffenen Geiste entsprungen sind um sein Gegenüber zu täuschen... oder aus reinem Spaß! Oder ist eine der beiden Geschichten am Ende sogar wahr und es ist die Gesellschaft die ihn erst zu dem gemacht hat, was er ist? Ist er überhaupt wahnsinnig, oder hat er nur die nächste logische Entwicklungs-Stufe der Gesellschaft erreicht? Worauf er selbst eine Antwort hat... Und auch sonst gelingt es ihm den Zuschauer zum Nachdenken zu bringen, was nicht nur ihn selbst betrifft, sondern vor allem seine Denkweise. Final ist sein Ende offen und die Frage bleibt ob eine Verkörperung wie der Joker überhaupt aufzuhalten ist... Zwar ist er von der Polizei umstellt, aber eine Befreiung dürfte für ihn, wie zuvor im Film bewiesen, nur ein Problem mit minimalem Aufwand darstellen...
Doch nicht nur bezogen auf den Filminhalt sondern auch film-stilistisch bricht der Joker Regeln. Regie und Kameraführung verlassen in Jokers Schlüsselszenen (und somit auch in Schlüsselszenen des Films) Konventionen des üblichen Verlaufs und fangen an mit dem Betrachter zu spielen wie der Joker selbst mit den anderen Charakteren... In seiner ersten Einstellung wird er so nah an der Kamera gezeigt dass er fast verschwimmt. Jokers Ultimativität und seine Unfassbarkeit werden so bereits am Anfang definiert, ganz abgesehen von dieser ersten Bankraub-Szene als ganzes, die bereits viele wichtige Elemente auf der Geschichts- und Denk-Ebene des Films anreißt. Wie der Joker omnipräsent in Gotham erscheint, so springt er scheinbar auch durch den Film selbst, kommt aus einem Krankenhaus gelaufen, sprengt den gesamten Hintergrund der Szenerie und hüpft anschließend wieder aus dem Bild. Als es dem Joker gelingt seiner Gefangennahme zu entkommen, verlangsamt sich der Film und zeigt eindrucksvoll den triumphierenden Joker wie er seinen Kopf aus dem Autofenster hält. Autoschnelligkeit und verlangsamte Aufnahme zeigen wieder auf, dass der Joker keinen Gesetzen unterliegt. An anderer Stelle reicht eine einzige kurze Einstellung des Jokers ohne Schminke um eine Gedenkfeier in plötzliche Massenpanik zu verwandeln. Und auch die finalen Einstellungen mit Joker und Batman sind denkwürdig. Der kopfüber an einem Seil hängende Joker zeigt Batman seine Denkweise auf und die Kamera dreht sich um sich selbst um den redenden Joker am Ende in einer Ansicht zu zeigen, die wiederum nicht mehr auf dem Kopf steht. Daumen hoch.
All diese Dinge alleine hätten gereicht um den TDK-Joker an die Spitze klassischer Bösewichte zu bringen. Tatsächlich wird diese Position noch gefestigt und in unantastbare Höhen katapultiert durch das große Spiel Heath Ledgers, dessen Versterben kurz nach dieser Rolle zusätzlich dafür sorgen wird, dass diese Figur irgendwo im Olymp anzusiedeln ist. Sein Joker ist so perfekt. Oben genannte Qualitäten der Figur ergänzt er durch sein bizarres, originelles aber fundiertes Spiel. Obgleich ohne Vergangenheit glaubt man gelegentlich in Ledgers Augen die Gründe für Jokers Taten zu erkennen... Ist er am Ende eine tragische Figur, die durch Leiden erschaffen wurde wie er selbst mit seinen Lügen-Geschichten und seinen fast traurigen Augen glauben lassen will, oder spricht aus ihm gänzlich der blanke Wahnsinn ohne irgendeinen Hintergrund. Ledger gelingt da ein guter Spagat geschmückt mit in Erinnerung bleibenden Dialog-Interpretationen und kleinen Ticks. (Ein Vergleich zu Jack Nicholsons Joker von 1989 erscheint mir übrigens nicht nötig, da sowohl die Darstellung der Figur als auch die Stilistiken der beiden Filme von Grund auf verschieden sind.) Der ultimative Bösewicht also in einer ultimativen Darstellung (filmisch wie schauspielerisch) mit starken Metaphern (dazu später mehr) und universeller Psychologie und Anwendbarkeit. Groß!
Positiv fällt weiterhin auf, dass der Film angenehmerweise kaum auf Zugeständnisse an ein Massenpublikum eingeht, was Humor, Kindertauglichkeit, Merchandise oder auch blonde Hauptdarstellerinnen betrifft. Da verblüfft, dass Riesenkonzern WarnerBros Nolan scheinbar alle Freiheiten gegeben hat und die bekannte Film-Version sogar die Wunsch-Schnittfassung des Regisseurs darstellen soll. War in BB noch Teen-Star Holmes und Batmans merchandise-tauglicher Anzug Mainstream-Zugeständnisse Nummer Eins, sind diese in TDK die ersten Dinge die konsequenterweise ersetzt wurden. Grade auf den Hinblick auf die Riege der kaufkräftigen Kids verwundern diese untypischen Freiheiten an einem so riesigen Franchise und Merchandise-Lieferanten wie der Marke "Batman". Denn ein Kinderfilm ist TDK wahrlich und gottlob nicht mehr!
Auch sichtbare CGI (Computer-Animationen) werden idealerweise nur an einer wirklich wichtigen Stelle eingesetzt (von Retusche und Bildbearbeitung einmal abgesehen) und verkommen nicht zum reißerischen Selbstzweck, wie in beinah allen Effekte-Filmen aus der Traumfabrik. Diese Momente, an denen man auf CGI zurückgriff, sind die Szenen mit Two-Faces entstellter Gesichtshälfte, was natürlich nicht anders zu lösen war. Zum übertriebenen Design dieses Gesichts sei später noch etwas gesagt, trotzdem nimmt man diesen Computer-Effekt gar nicht mal als solchen wahr. Er ist nicht nur ziemlich gut gemacht, sondern ist auch so nebensächlich dargestellt, dass man sich zum Zeitpunkt mehr auf die Emotionen Dents konzentriert als dass der Effekt als solcher bewusst wird. Top! Die restlichen Film-Tricks stellen bei TDK abgefilmtes, dingliches Handwerk dar, was man jederzeit an ihrer Greifbarkeit spüren kann.
So stellenweise brutal, hart und unberechenbar der Film ist, so gut kommt er außerdem ohne einen kleinsten Tropfen Blut aus. Doch ein Kinderfilm? Nein, denn die Gewaltrate ist hoch und auch grafisch, schafft es aber immer im richtigen Zeitpunkt abzublenden oder zu überdecken. In abgestumpften zeig-geilen Zeiten von 'Saw' und Ablegern, ist diese Tatsache einmal mehr befreiend und verleit dem Film über all dem Würde und Überlegenheit.
Der Film hat weiterhin zwei große Elemente die ihm das Potenzial zum modernen Klassiker geben. Zum einen sind da seine zahlreichen Bezüge zur Realität außerhalb des Kinosaals. Nicht einmal besonders chiffriert (aber auch ganz und gar nicht platt) wird der Zuschauer mit modernen Ängsten und Zeitgeist konfrontiert. Schon das offizielle Kinoplakat bringt es mit seinem brennenden Wolkenkratzer und seiner "Welt Ohne Regeln"-Zeile auf den Punkt: Der Film spielt in einer Zeit nach 9/11... Eine Stadt obliegt dem Terror, der zudem von einer einzigen Person, dem Joker, ausgeht. (Wenigstens trägt er keinen Vollbart.) Handys... Abhörwahn... Auch andere Story-Elemente sind aktueller denn je. Lucius Foxs Kommentar dazu fällt wahr aber ungleich wertender aus: Ehrfürchtig vor der Macht die ihm nicht gebührt zerstört er am Ende die Maschine die in der Lage ist sämtliche Bürger Gothams abzuhören. Fast ist es so, als halte der Film einen Spiegel vor, der eine mögliche, überdramatisierte Version der Zukunft zeigt...
Zum anderen sind da die vielen Ebenen, Denk-Ansätze und Parallelen zwischen den Figuren, sowie die allgemeine Frage nach Werten, nach Reaktion und Gegenreaktionen, nach Recht und Unrecht unter dem elementaren Banner Gut gegen Böse. Grade letztere Frage beantwortet der Film schönerweise nicht direkt, sondern rollt stattdessen ein ausgefeiltes Spiel aus Dualitäten, Gegensätzen, Gemeinsamkeiten und Dreiklängen aus, in dessen Kern die Figuren Batman, Gordon und Dent stehen. Dieser Ansatz hat schon Burtons 'Batmans Rückkehr' zu einer der stärksten Helden-Verfilmungen gemacht und wird hier perfektioniert. Dents Spruch "Der Gute stirbt, oder lebt so lange bis er zum Bösen wird" ist dabei ein Ansatz von Zahlreichen, der universell auf die Figuren anwendbar ist. Am deutlichsten wird er natürlich bei Dent selbst... Aber auch Gordon, der mit seinem inszenierten Tod, seiner Frau unendliche Qualen bereitet kann sich so gesehen nicht ganz diesem Satz entziehen. Noch interessanter wird es wenn der Film die Figur des Jokers als Verkörperung sowohl der Anarchie als auch der völligen Selbstverständlichkeit präsentiert. Existiert ein Held muss es auch einen Schurken geben, sonst existiert der Held nicht... Anarchie als eigentliches Mittel zur Ordnung und andersrum... Der Ansatz wurde bereits in BB aufgegriffen, und wird hier weitergeführt... Die manipulativen und doch sehr logischen und selbstverständlichen Gespräche zwischen Joker/Dent und Joker/Batman sind diesbezüglich großes inhaltliches Highlight des Films.
Aber auch auf der blanken Unterhaltungs-Ebene hat der Film genug Fahrt, Spannung und Action (die wahrlich nicht nur sich selbst überschlägt, sondern auch Lastwagen) um den Popcorn-Esser zu beeindrucken. Und das Bat-Pod rockt!
Im Folgenden seien speziell noch kurz die Filmmusik und die deutsche Synchronisation hervorgehoben...
Ich verehre vor allem den Soundtrack! Der Film wäre ohne ihn und in genau dieser Form undenkbar. Treibend und hypnotisch entfesselt er erst die Kraft des Films und bestimmt mit das schnelle Tempo, ergänzt die emotionalen Szenen und spinnt die Actionszenen zu fulminanten auskoreografierten Höhepunkten. Ähnlich wichtig wie Vangelis’ BladeRunner legt sich die Musik wie eine dichte Wolke aus Feinstaub über die Stadt die diese erst zu einem brodelnden korrupten Kessel macht. Wie schon bei BB treffen die Komponisten Hans Zimmer (Gladiator, Karibik, RainMan) und James Newton Howard (Shyamalans Hauskomponist, KingKong) wieder zusammen. Hier verderben viele Köche keineswegs den Musik-Brei, hier holt jeder seine besten Zutaten aus seinem Spezialitäten-Schrank und mischt ein experimentelles Festessen für die Ohren. Zimmer, der bekannt ist für seinen brachialeren Sound, ergänzt sich perfekt mit Howard, dem Meister der ruhigeren, emotionaleren Töne. Da trifft Action auf Bodenständigkeit, was in dieser Form perfekt zu Nolans Stil passt. Außerdem treffen hier klassische Orchestrierungen auf elektronische Klangbearbeitungen, was eine erfrischend neue Mischung ergibt und einmal mehr zum Stil des Films passt. Denn da gibt es einmal die Musik zum Joker... Diese ist kein Thema im klassischen Sinne sondern eine Anhäufung von Tönen, Geräuschen und Disharmonien, die die verkörperte Anarchie des Jokers perfekt begleiten. Sie beginnt mit einer sirenenartigen Kollage gefolgt von kreischenden Geigen, die Wahnsinn und Bedrohung auf den Punkt bringen und im Film immer dann zu hören ist wenn sich die Anwesenheit des Jokers spürbar bereit macht unverhofft aufzutauchen, wie die summende Wespe auf dem gedeckten Garten-Tisch. Wie Joker den Film bestimmt, so ziehen sich seine Disharmonien durch den Soundtrack. Dann sind da die erweiterten Motive zu Batman. In BB war das zentrale Motiv Batmans noch sehr simpel (wenngleich nicht uneffektiv) in Form eines fledermausflügel-artigen Schlagens auf treibendem Hintergrund mit Hörnern. Zimmer sagte damals, Batman habe sich sein eigenes musikalisches Thema noch nicht verdient... In TDK ist es soweit. Die Musik-Motive um Batman wurden ergänzt: Episch, tragisch und Gänsehaut! Überraschenderweise klingt das Heldenthema tatsächlich etwas nach Elfmans einstigem Bat-Thema. Augenzwinkernde Hommage oder tatsächlich unbeabsichtigt (was Elfmans Werk sehr bestätigen würde)? Es ist zwar so umgearbeitet dass es Burtons Gothic-Märchen verlässt und nun in Nolans Welt passt, aber Ähnlichkeiten sind unzweifelhaft vorhanden... Zum Herzstück der Sound-Untermalung werden die Themen und Motive um Harvey Dent und Gotham City... Partiell sind diese Stücke voll mit amerikanischem Pathos, allerdings sehr erträglich und jederzeit mit einer großen wunderschönen schweren Melancholie umgeben... Dies ist unzweifelhaft Howard-Newtons größter Einfluss am Score, der sich mit diesen Stücken zwar nicht kopiert aber unverkennbar das Beste aus seinem Musik-Archiv herausholt. Aber auch getrennt vom Film verliert der Soundtrack wenig an Eigenständigkeit. Auf CD fällt zunächst auf, wie viele Teile die beiden Musiker aus dem Vorgänger-Score übernommen haben... Einiges wird dabei ergänzt, anderes wird variiert oder härter gespielt, anderes bleibt widerum eins zu eins bestehen. Letzteres ist minimal schade, denn grade beim Action-Scoring ist die Musik oft gleich zu BB, was nicht ganz einleuchtet warum – ganz im Gegensatz zu den sich sinnigerweise wiederholenden musikalischen Motiven der Hauptdarsteller. Allerdings gibt es aber, wie bereits beschrieben, auch sehr viel neues (Joker, Batman, Dent/Gotham) und überhaupt gelingt es dem Score als Ganzes eine kleinwenig tiefere Ebene als BB zu erreichen. Wer den Score zu BB noch nicht besitzt, bekommt hier praktisch ein Best-Of plus mehr. Spaß macht es außerdem die einzelnen Teile der Lieder den Komponisten zuzuordnen, was nicht immer funktioniert und einmal mehr dafür spricht wie ergänzend und perfekt diese Zusammenarbeit ist. Meine Anspieltipps auf dem Original-Soundtrack-Album wären die ersten drei Tracks, und die letzten beiden Stücke, sowie das mitreißende „Like A Dog Chasing Cars“.
Die deutsche Synchronisation ist gelungen und unterliegt der grandiosen Synchro von BB nur minimal. Das große Bangen um Ledgers deutsche Stamm-Stimme von Simon Jäger ist unbegründet. Jäger ist nicht die Optimalbesetzung für die Figur des Jokers, doch er ist zuletzt besser als in den Trailern und er holt das Allerbeste aus seinem Können heraus. Sein Joker ist heller als Ledgers, trifft aber wahrhaftig den Kern der Figur von einer anderen, nicht schlechteren Seite und gibt dem Joker meines Erachtens sogar noch eine tragischere Facette, die wunderbar mit winzigen Momenten von Ledgers Performance brilliert in denen die Figur fast schon etwas bemitleidenswertes bekommt. Zu keiner Zeit fällt Jäger negativ auf. Sogar das wahnsinnige Lachen sitzt perfekt. Anders sieht es da mit der deutschen Sprecherin von Rachel Dawes aus... Ich weiß nicht ob dies Maggie Gyllenhaals deutsche Stamm-Stimme ist, aber nach meinem Empfinden war diese nicht optimal besetzt. Gesicht und Stimme wollen nicht so recht überein passen. Ihre Stimme hätte ich mir emanzipierter und weniger sexy gewünscht. Die Dialogpassagen wurden sinnvoll übersetzt. Beispiel: Im Original sagt Ledger zu Beginn des Films: (...) What doesn’t kill you simply makes you stranger... Auf Deutsch wurde daraus: (...) Was dich nicht umbringt macht dich komischer... Was den komplizierten Wortwitz auf andere Weise angeht, aber hier wunderbar passt. Im Gegensatz zu BB wurde die deutsche Stimme Batmans verbessert... Klang David Nathan in BB noch zu angestrengt und sogar leider etwas lächerlich, gelingt ihm in TDK die tiefe Stimme Waynes wenn er im Batman-Anzug steckt ungleich besser. Ich schätze aber man hat mit dem Mischpult noch etwas nachgeholfen... Unklar bin ich mir im Moment bei Scarecrow... Hatte er eine andere Stimme als in BB? Dort fand ich ihn nämlich gelungener, denke ich... Und abgesehen von ein paar wenigen Nebenfiguren, die etwas zu jung klingen, und einer Klischee-Rolle mehr für Tilo Schmitz (muskulöser Schwarzer) besteht ansonsten kein Grund sich nicht die deutsche Fassung anzusehen. Denn Bale, Caine, Freeman und Oldman erscheinen erst mit Nathan, Thormann, Sonnenschein und Schenk akustisch perfekt.
Was fehlt TDK zum Meisterwerk? Aus filmischer Sicht und auf inhaltlicher Ebene hätte ich Gewichtungen und Dramaturgien anders gelöst und mir Dinge anders gewünscht... Da ist zum einen das Tempo des Films. Nach anfänglichem fast unerkennbarem und hypnotisch schwebendem Batman-Logo prasselt der Film über einen hinweg. Das ist Stilmittel und das ist auch gut. Zeit zum gedanklichen sortieren bleibt wenig. Hm, gut, ist vielleicht nicht Fehler des Films wenn ich da etwas zu langsam bin, denn alles Wichtige wird ja gesagt... Nach etwa zwei anstrengenden Stunden entfaltet sich jedoch noch ein weiteres neues Kapitel in Form des Two-Face Subplots, den ich schlicht zu viel für den Film finde und dem auch keine zufriedenstellende Aufmerksamkeit gegeben wird. Nicht nur dass sich die Ereignisse um den Joker derzeit überschlagen, auch Two-Faces Motivation ist in aller schnelle für mich nicht glaubwürdig abgehandelt... Dazu später mehr. Dennoch überschlägt weiterhin eine Actionszene die nächste und selbst Dialogszenen wirken während des ganzen Films aufs wesentliche gestrafft und schnell abgehandelt... Uff... Dabei hätte ich vor allem die Gewichtung der Szenen anders gesetzt, was jetzt mehr in den inhaltlichen Bereich des Films hinübergeht geht...
Die detaillierte Schilderung von Gothams Unterwelt und die ganze Sache um das markierte Geld empfand ich als sehr monoton... Alles kann passieren... Jeder hintergeht jeden und jeder stellt sich am Ende als korrupt heraus... Und das Ass hat sowie immer der Joker. Alles mit einer derartigen Regelmäßigkeiten, dass es fast schon unbedeutend (sogar langweilig?) wird... Es ist einfach etwas zu viel Inhalt für epische 152 Minuten, bzw. es wird nicht optimal gewichtet zwischen der ohnehin zu komplexen und letztendlich sogar unwichtigen Verschwörungs-Geschichte und den privaten Figuren der Geschichte, die den Film auf eine noch emotionalere Ebene hätten bringen können. So hätte ich mir einfach mehr und tiefergehende Momente und Dialoge mit den Hauptfiguren gewünscht. Persönliche Aussprachen (etwa bei Rachel und Bruce) sind zu Ende bevor sie überhaupt ein gewichtiges Level erreichen können. Bruce Wayne kommt generell etwas zu kurz. Anstatt ewiges Gerede über Falschgeld hätte ich gerne eine Szene mit Gordon und seiner Familie gesehen, die später die tiefe Trauer seiner Frau bedeutsamer gemacht hätte. UNBEDINGT hätte ich mehr Szenen zwischen Rachel und Dent gewollt. Ich finde ihre große Liebe wird nicht deutlich genug und ihre Beziehung wirkt fast kollegenhaft. Spätestens am Ende kommt die Quittung; die Liebe zwischen den beiden empfand ich nicht als so stark, dass sich Dent durch ihren Verlusst gegen seine einstigen Prinzipien stellt und zu dem wird das er zuvor bekämpft hat. Obwohl er tatsächlich noch andere Gründe für seinen Rachefeldzug hat (Identitätsverlust, seine "neue" wahnsinnige Auffassung von Gerechtigkeit, ...), war seine Liebe zu Rachel doch der treibendste. Zumindest sollte dies wohl so sein. Selbst wenn man nachdenkt, mag einem außerdem nicht recht einleuchten warum Dent bzw. Two-Face einen so enorm großen Hass auf Gordon schürt. Vielleicht kann man es nur allgemein unter dem Offenlegen seiner dunklen Seite und seinem Verfall in den Wahnsinn erklären.
Mehr Montagen über Gotham City, den Medien und den eigentlichen Bürgern der Stadt hätten außerdem gut getan. Wie sie auf den Joker reagieren wird nur angeschnitten. Dazu klingen Szenen manchmal nicht gut aus, wie zB. die Party-Szene in die der Joker platzt. Außerdem finde ich, dass einige eher unwichtige Dinge gezeigt werden in der ohnehin knappen Zeit. Batmans Nachahmer sind eher überflüssig und den ganzen Subplot um Hong Kong hätte man anders lösen können, obwohl Bats in China natürlich schon sehr mitreißend war. Haben die Szenen mit Coleman Reese, dem Typ der glaubt, Batmans Identität gelöst zu haben, etwas Wichtiges zum Film beigetragen? Natürlich lebt ein Film auch von Nebenplots... Die Figuren leiden hier dadurch aber etwas, was so nicht geht.
Zu diesen wichtigen Kriterien wie Aufbau, Inhalt und Gewichtung kommen noch kleinere Dinge, die mir negativ aufgefallen sind, die zwar nicht all zu tragisch sind, aber noch kurz genannt sein sollen... Two-Faces CGI ist wie gesagt top. Sein tatsächliches Gesichts-Design hätte ich mir allerdings subtiler gewünscht. Natürlich muss es schockend und beunruhigend sein, aber das offene Auge und die sichtbaren Sehnen und Knochen sind arg zuviel und stehen meiner Auffassung nach sehr im Kontrast zu Nolans ernsten und glaubwürdigen Inszenierungs-Ansatz. Eine gänzlich schwarze verbrannte Gesichthälfte auf der man weder Mund noch Augen erkennt, hätte ich vermutlich nicht nur logischer sondern auch beunruhigender gefunden... Jokers Narben hätte ich mir deutlich sichtbarer gewünscht. Überdeckt von Make-Up sind sie eigentlich in den meisten Szenen kaum mehr zu erkennen oder wirken aufgeklebt mitsamt Schminke. Aber egal. Die Sache mit den beiden Fähren mit Gefangenen und Zivilisten ist spannend und der Gewissenskonflikt ist mitunter Kern der ganzen Geschichte und passt perfekt zum Jokerfinale. Ich bin kein Filmseher der nach Fehlern sucht, aber rein logisch wollen mich diese Szenen jedoch nicht überzeugen... Warum retten sich die Leute nicht ins Wasser? Warum schickt Gordon nicht einen Helikopter der Entwarnung gibt oder evakuiert, denn der Joker ist zu diesem Zeitpunkt ja ausgemacht? (Vielleicht ist mir aber auch in diesen Punkten etwas entgangen...) Und auch der eigentliche Gewissenskonflikt auf dem Boot überzeugt mich nicht wirklich... Weiterhin ist es um die Figur des Scarecrow schade... So genial ich noch fand, dass dieser in BB die Fäden zog und am Ende in den vernebelten Straßen der Narrows verschwand, so simpel wird er in TDK am Anfang ausgeschaltet. Auf eine Weise macht dies Sinn... Denn jetzt ist Platz für den Hauptbösewicht und ein zentrales Motiv des Films ist ja, dass Batman immer neue, größere Schurken heraufbeschwört (Siehe auch Falcone und Maroni)... Dennoch wirkt sein Auftritt überflüssig und das Potential der Figur, die sich schon in BB nicht recht entfalten konnte, verschenkt. Da hätte man sich TDK als dritten Teil einer Trilogie gewünscht, in der Scarecrow in einem zweiten Teil hätte auftrumpfen können und gleich am Anfang von TDK gestellt werden können... Auch sonst lässt mich der Gedanke nicht los TDK wäre das bessere Ende einer Trilogie geworden. Neben der Scarecrow-Sache, fehlt mir auch eine Entwicklung von Batmans Nachahmern, die man mit der Einführung in einem zweiten Teil möglicherweise mit einer Einführung von Dent hätte kombinieren können. Plus... der Joker als Ultimativer in jeder Hinsicht (Figur, Schauspieler, Ebenen) wäre der Paukenschlag für das Ende einer Trilogie gewesen. Wie will Nolan das in einem nächsten Film, der ganz sicher kommt, toppen? Zu guter Letzt wären auch die Szenen am Ende von TDK ein toller Schlusspunkt für eine abgeschlossene Nolan-Trilogie gewesen.
Persönlicher Vergleich BB/TDK: Im direkten Vergleich zu 'Batman Begins' ist 'The Dark Knight' der BESSERE Film. Aus rein persönlichen Gründen wird BB mein Favorit der beiden Teile bleiben. Ein Favorit des Herzens also. Da wäre zum einen der Überraschungs-Effekt zu BB-Zeiten... Nolan als Regisseur war mir damals tatsächlich noch kein Begriff... Die Kinos waren zu der Zeit mit Superhelden-Trash a la Spider-Man übersättigt (sind es noch...)... Und ich ging mit keinen besonders großen Erwartungen ins Kino... Umso größer war meine Begeisterung, schon während der Kinovorstellung. SO wird’s gemacht! Drei Jahre vergingen bis zur Fortsetzung, in denen ich schwammartig jedes Detail über TDK aufsog, von den ersten Dreharbeiten bis hin zu Trailern, Bildern, und den ersten Reviews... War ein Fehler! Denn nicht nur wurden auf diese Weise meine Erwartungen in utopische Höhen katapultiert auch Handlungs-Elemente oder sogar ganze Schüsselszenen wurden dadurch bereits im Vorfeld bekannt. So blieb der simple aber effektive Überraschungsmoment aus... Tatsächlich kam es mir vor als hätte ich den kompletten Film bereits in Puzzlestücken gesehen, die sich nun in einer fertigen aber eben bekannten Version abspielten. Schade... Aber definitiv natürlich nicht Fehler des Films... Dazu kommen zusätzlich rein persönliche Vorlieben... Batmans Anfänge in BB, Waynes Selbstfindungstrips, die gute Einführung der Hauptfiguren, das Angst-Motiv... Das alles finde ich im Grunde interessanter, kleiner aber emotionaler als den "großen Krieg" in TDK! BB war da "interner" mit dem Konflikt eines Einzelnen, was ich generell spannender finde...
Fazit: Ein perfekter Bösewicht, ein hochkarätiger Cast, hervorragende Denk-Ansätze/Metaphern/Dualitäten, und ergänzende Brückenschläge zum realen Zeitgeschehen in einer elementaren Geschichte, die stilistisch und musik-begleitend perfekt gelöst ist, die aber etwas im Kontrast steht zum schwierigen Tempo, Dramaturgie und Gewichtung des Films: Die Schnelligkeit und der Szenenwechsel sind anstrengend. Schwerpunkte hätte ich mir mehr auf Personen und Personenkombinationen (vor allem Rachel/Dent, aber auch Gordon) auf zwischenmenschlicher Ebene gewünscht als auf unwichtigen Details der Unterwelt-Verschwörung/Geld-Falle. Denn Wendungen und Korruption treten mit einer Regelmäßigkeit auf, dass es fast monoton und ermüdend ist, und das Ass hat sowie immer Joker. Den Neben-Plot um Two-Face hätte ich mir sowohl glaubwürdiger von seiner Motivation gewünscht, als auch sinnvoller in der Filmdramaturgie gelöst, vielleicht sogar gänzlich gestrichen. Es ist im Ganzen zu viel Inhalt in Form von zu vielen Subplots/Nebensächlichkeiten wohingegen persönliche Dialoge etwas zu knapp wirken. Eine Einführung der Figuren (Dent,...) und vieler beiläufiger Ereignisse (Scarecrow, Batmans Nachahmer,...) in ausgebauter Form auf einen zuvor angesetzten Film wäre sinnvoll gewesen. So wäre TDK mit seinem Ende und seinem ultimativen Bösewicht besserer Abschluss einer Trilogie als zweiter Teil gewesen.
Punktewertung: 9,3/10
:-)
[René Siepmann]
Quelle: René Siepmann
|